Hast du auch schon von der “Abnehmspritze” gehört? Die Abnehmspritze Wegovy wird als ein vielversprechendes Behandlungsmittel von Adipositas gehandelt. Ihr wird nachgesagt, das Leben von Millionen von Menschen verändern zu können, die mit Übergewicht und den damit verbundenen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen haben.
Wie die Abnehmspritze wirkt, für wen sie geeignet ist und welche Risiken die Nutzung birgt, besprechen wir im Interview mit dem Adipositas Experten Prof. Dr. med. Dr. habil. Thomas Carus.
Stella: Lieber Thomas, lass uns erstmal von ganz vorne beginnen. Wie wirkt die Abnehmspritze?
Thomas: Wegovy basiert auf dem Wirkstoff Semaglutid, der verschiedene Körperfunktionen beeinflusst. Einerseits stimuliert es die Insulinsekretionsrate, was zu einer Senkung des Blutzuckerspiegels führt und somit direkt gegen Diabetes wirkt. Ursprünglich wurde das Medikament unter dem Namen Ozempik auch zur Diabetesbehandlung eingesetzt, bevor die starken Auswirkungen auf das Gewicht bekannt geworden sind. Wegen der enormen Nachfrage brachte der Hersteller dann das Produkt Wegovy auf den Markt. Was eine höher dosierte und speziell zur Gewichtsreduktion zugelassene Alternative zu Ozempik ist.
Neben der Wirkung auf den Blutzuckerspiegel verzögert die Abnehmspritze auch die Magenentleerung, was ein verstärktes Sättigungsempfinden zur Folge hat. Diese Verzögerung bewirkt, dass Nahrung länger im Magen verbleibt, was wiederum zu einer reduzierten Nahrungsaufnahme führt. Zusätzlich soll Wegovy auch Einfluss auf das Gehirn nehmen und dort das Verlangen nach Nahrung bzw. den Heißhunger reduzieren.
Stella: Welche Risiken oder Nebenwirkungen sind mit der Verwendung der Abnehmspritze verbunden, und wie werden sie normalerweise gehandhabt?
Thomas: Wie bei jedem Medikament gibt es auch bei Wegovy eine Reihe von Nebenwirkungen, die auftreten können. Zu den häufigeren Nebenwirkungen zählen Magen-Darm-Beschwerden wie Völlegefühl, Übelkeit und Erbrechen. Diese Nebenwirkungen können die langfristige Einnahme und damit die Compliance der Patienten beeinträchtigen. Seltener, aber ernster sind Nebenwirkungen wie Bauchspeicheldrüsenentzündung oder Gallensteinbildung.
Stella: In welchen Fällen kann die Abnehmspritze denn von einer:m Arzt/Ärztin verschrieben werden?
Thomas: Ärzt:innen dürfen Wegovy Erwachsenen mit einem Body-Mass-Index (BMI) von über 30, was als Adipositas klassifiziert wird, sowie Erwachsene mit einem BMI von über 27, die zusätzlich mindestens eine gewichtsbedingte Begleitungserkrankung aufweisen, wie beispielsweise Hypertonie, verschreiben. Auch Jugendlichen ab zwölf Jahren mit Adipositas und einem Körpergewicht über 60 Kilogramm darf das Medikament verschrieben werden.
Dabei ist zu beachten, dass Wegovy von den gesetzlichen Krankenkassen als Lifestyle-Produkt eingestuft wurde. Diese Klassifizierung bedeutet, dass Wegovy ähnlich wie Nahrungsergänzungsmittel behandelt wird, was impliziert, dass die Kosten nicht von den Krankenkassen übernommen werden. Diese Entscheidung legt nahe, dass die Verwendung von Wegovy eher eine persönliche Wahl ist, vergleichbar mit der Entscheidung für bestimmte diätetische oder kosmetische Produkte, und nicht als notwendige medizinische Behandlung angesehen wird.
Stella: Welche Kosten kommen auf Patient:innen zu, die die Abnehmspritze nutzen wollen?
Thomas: Bei einer Maximaldosis von 2,4 Milligramm pro Woche belaufen sich die Kosten auf etwa 300 Euro pro Monat. Für viele Menschen stellt dies eine nicht zu unterschätzende finanzielle Hürde dar, insbesondere wenn man bedenkt, dass eine langfristige Behandlung notwendige sein könnte, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen.
Stella: Wie bewertest du die Wirksamkeit der Abnehmspritze im Rahmen eines umfassenden Behandlungsplans für Adipositas?
Thomas: Die Spritze zeigt in jedem Fall eine positive Wirkung im Bereich der Gewichtsreduktion. Die Effektivität von Wegovy ist aber nicht isoliert zu betrachten, sondern vielmehr im Kontext eines gesunden Lebensstils. Es ist entscheidend, dass die Anwendung des Medikaments mit signifikanten Lebensstilveränderungen einhergeht. Dies umfasst eine ausgewogene, kalorienarme Ernährung sowie regelmäßige körperliche Aktivität. Der Grundgedanke dabei ist, dass das Medikament allein nicht die gewünschten langfristigen Ergebnisse erzielen kann. Vielmehr unterstützt es den Prozess der Gewichtsreduktion, indem es in Kombination mit einem gesunden Lebensstil Synergien schafft, die zu einer nachhaltigen Verbesserung des Gesundheitszustandes führen. Und wenn diese Anpassungen des Lebensstils vorgenommen wurden, braucht es die Abnehmspritze auch nicht.
Stella: Also ist auch, wie bei anderen Formen der Gewichtsreduktion, eine umfassende Verhaltensänderung oder die Anpassung des Lebensstils notwendig, um langfristig zu profitieren.
Gibt es dennoch Patient:innen, für die die Abnehmspritze sinnvoll ist und welche Faktoren müssen bei der Entscheidung für diese Behandlung berücksichtigt werden?
Thomas: Ja, eine Ernährungsumstellung und der regelmäßige Einbau von Bewegung legen immer den Grundstein, um langfristig Gewicht zu reduzieren. Bei sehr starkem Übergewicht bedarf es jedoch teilweise weiterer Unterstützungsmaßnahmen, wie z.B. Magen-Bypässen oder Magenbändern. Und auch der psychische Aspekt sollte bei Adipositas nicht vernachlässigt werden. Der Grund für starkes Übergewicht liegt häufig in der Psyche. Daher ist ebenso wichtig, dass die Gewichtsreduktion auch psychologisch betreut wird.
Im Vergleich zu den chirurgischen Eingriffen , bietet Wegovy eine nicht-invasive Alternative. Es gibt Patient:innengruppen, für die aufgrund verschiedener Kontraindikationen eine Operation nicht in Frage kommt oder ein zu hohes Risiko darstellt. In solchen Fällen kann das Medikament eine wertvolle Unterstützung bieten.
Die Einnahme von Wegovy kann aus medizinischen Gründen auch sinnvoll sein, wenn Patient:innen aufgrund von Gelenkproblemen oder anderen gesundheitlichen Einschränkungen nicht in der Lage sind, ausreichend körperliche Aktivität zu betreiben. In solchen Fällen kann das Medikament temporär eine wertvolle Unterstützung bieten, um dennoch eine Gewichtsreduktion zu ermöglichen.
Es ist jedoch wichtig, dass auch in diesen beiden Fällen eine Ernährungsumstellung und -beratung erfolgt und das Medikament nicht als alleinige Lösung angesehen wird.
Stella: Gibt es Langzeitstudien oder Daten zur Langzeitsicherheit und -wirksamkeit von der Abnehmspritze Wegovy
Thomas: Es gibt Studien mit einer Laufzeit von 2 Jahren. Diese zeigen, dass mit der Abnehmspritze bei regelmäßiger Einnahme eine stabile Gewichtsreduktion erreicht werden kann. Allerdings ist zu beachten, dass nach dem Absetzen des Medikaments eine erneute Gewichtszunahme beobachtet wurde, was die Notwendigkeit einer dauerhaften Anwendung unterstreicht. Die Zulassung basiert auf der Wirksamkeit des Medikaments in Kombination mit einer Lebensstilveränderung, einschließlich Ernährungsumstellung und regelmäßiger Bewegung.
Was jedoch bemerkenswert ist, ist, dass die positiven Auswirkungen von Wegovy auf den Blutdruck und den Langzeitzuckerwert im Gegensatz zu anderen Formen der Gewichtsreduktion deutlich geringer sind.
Stella: Das heißt, dass die positiven Effekte auf die Gesundheit, die normalerweise mit einer Gewichtsabnahme einhergehen, nicht auftreten, bzw. nur in Geringem? Man also schlanker aussieht, aber der körperliche Zustand noch auf dem eines übergewichtigen Menschen ist?
Thomas: Genau!
Stella: Hattest du im Arbeitsalltag bereits Berührungen mit der Abnehmspritze? Fragen Patient:innen aktiv nach dieser?
Thomas: Ja, es waren bereits Vertreter:innen des Herstellers bei uns in der Klinik. Und auch Patient:innen, die ich im Rahmen einer Magenverkleinerung betreue, fragen, ob die Abnehmspritze nicht eine bessere Methode der Gewichtsreduktion für sie sei.
Stella: Wie ist deine persönliche Meinung zur Abnehmspritze als Medikament zur Gewichtsabnahme?
Thomas: Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg jeglicher Gewichtsreduktion-Strategie ist das Verhalten der Patient:innen. Die Bereitschaft, den eigenen Lebensstils zu ändern und sich an die Empfehlungen für Ernährung und Bewegung zu halten, ist entscheidend. Ohne diese Eigeninitiative und Disziplin ist es unwahrscheinlich, dass dauerhafte Ergebnisse erzielt werden können. Selbst das beste Medikament oder die fortschrittlichste Behandlungsmethode kann nicht wirken, wenn der Patient nicht bereit ist, seinen Teil dazu beizutragen. Daher ist es wichtig, dass Patienten die Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen und aktiv an der Gestaltung ihres Lebensstils arbeiten.
Warum sollte man daher ein Medikament nutzen, das viel kostet und mit Nebenwirkungen verbunden ist, wenn ich die Gewichtsreduktion, mit Hilfe von Ernährungsberatung, ggf. psychologischer Betreuung und Unterstützung bei körperlicher Akitvität, doch in meinen eigenen Hände haben?
Zu Professor Carus: Prof. Carus ist Spezialist für Adipositaschirugie und Chefarzt der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie an der Klinik Bassum. Mithilfe von modernsten OP-Techniken und intensiver persönlicher Betreuung begleitet er Patient:innen mit starkem Übergewicht auf dem Weg in eine dauerhafte Gewichtsreduktion.
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